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Mechanische Spannung - und warum Scheitern im Kraftsport effektiver ist.

Die Annahme, dass mechanischer Schaden und metabolischer Stress (das brennende Gefühl durch Übersäuerung) für Hypertrophie (Muskelaufbau) verantwortlich wären, ist bis heute noch weit verbreitet . Nach aktuellen Wissensstand stimuliert aber ausschließlich mechanische Spannung und eine progressive Steigerung Hypertrophie. Lange vermutete man auch, dass Muskeln „zerstört“ werden und dann größer „wiederaufgebaut“ werden. Dies ist aber mittlerweile auch widerlegt.

(PMID: 29282529, PMID: 27219125, PMID: 30694972)

Alles schön und gut, aber was ist denn Mechanische Spannung?

Mechanische Spannung kannst du dir vereinfacht gesagt wie eine Zugkraft vorstellen. Die Muskelfasern versuchen sich zu verkürzen, treffen dabei auf einen Widerstand. Dabei erfahren sie die genannte Spannung. Die Spannung verstärkt sich, wenn sich die Verkürzung der Muskelfasern verlangsamt.

Das liegt an dem Zusammenhang von Kraft und Geschwindigkeit.

Dieser Zusammenhang beschreibt, dass die Kapazität eines Muskels Kraft zu entwickeln auf der Kontraktionsgeschwindigkeit basiert.

Wenn du also in einem Satz immer näher ans Muskelversagen kommst, wird deine Kontraktionsgeschwindigkeit unfreiwillig immer langsamer, egal wie sehr du versuchst das Gewicht zu bewegen. Genau während diesen Wiederholungen erfahren deine Muskelfasern mechanische Spannung.

Wann tritt am meisten mechanische Spannung auf?

Oft wird behauptet, dass bestimmte Übungen oder extrem schweres Gewicht mehr mechanische Spannung erzeugen könnte als andere. Das ist aber nicht richtig, da mechanische Spannung auf der Geschwindigkeit/ Kraft-Kurve existiert und nicht auf einer schweres/ leichtes Gewicht bzw. abhängig von der Übungsauswahl ist. Leichte Gewichte erzeugen, sofern damit ans Muskelversagen trainiert wird, die gleiche Menge an mechanischer Spannung wie schwere Gewichte. Der einzige also wichtige Faktor ist die Nähe zum Muskelversagen.

5 Reps/ Effective Reps Theory

Basierend auf mechanischer Spannung wurde die 5 Reps Theory aufgestellt. Sie besagt, dass die letzten 5 Wiederholungen vor dem Muskelversagen die wichtigsten sind was den Muskelaufbau angeht (weil es dort wie oben genannt zu der größten Menge an mechanischer Spannung kommt). Studien haben gezeigt, dass in dem Wiederholungsbereich 5-30 potentiell alle Sätze, die ans Muskelversagen ausgeführt wurden, die selbe Hypertrophie stimulieren.



Im Mai 2023 kam auch eine Meta-Analyse mit Regression heraus, in der 81 Studien zusammengefasst wurden. Davon 26 zu Hypertrophie (Muskelaufbau) und 55 zu Kraft. Diese zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen der Nähe zum Muskelversagen und Muskelwachstum. Sie gehen sogar so weit, dass mit jeder Wiederholung, mit der man dem Muskelversagen näher kommt, mehr Wachstum stimuliert wird. Der Verlauf ist also nicht linear, sondern exponentiell.



DOI:10.51224/SRXIV.295


Überraschenderweise zeigt die Metaanalyse sogar, dass am Ende des Satzes bei der letzten Wiederholung zu scheitern effektiver für Hypertrophie ist, als diese gar nicht erst zu versuchen.


Das heißt also: Scheitern im Kraftsport ist nichts worüber man sich ärgern sollte - im Gegenteil, es ist sogar effektiver, um Muskeln aufzubauen!

Zurück zur 5 Reps Theory. Wenn man jetzt also einen Satz mit 5 Wiederholungen ausführt oder mit 15, sind bei beiden nur die letzen 5 Wiederholungen vor dem Muskelversagen entscheidend für den Muskelaufbau. Da bei 15 WDH sozusagen 10 „umsonst“ gemacht wurden, erzeugt ein Satz mit hohen Wiederholungszahlen also mehr Ermüdung bei gleichem Hypertrophie-Reiz.

Sollte man jetzt also nur noch im Wiederholungsbereich 5-8 trainieren?

Rein aus Hypertrophie-Sicht macht das aufgrund der oben genannten Fakten natürlich Sinn, in der Praxis spielen aber noch weitere Faktoren eine Rolle. Hier ein paar Gründe wieso du also trotzdem auch höhere Wiederholungsbereiche in dein Training integrieren kannst:

  1. Höhere Wiederholungsbereiche sind aufgrund der leichteren Lasten gelenkschonender

  2. Sie können dir helfen Plateaus zu überwinden (von 14 Wiederholungen auf 15 ist ein kleinerer und damit einfacherer Sprung als von 5 auf 6)

  3. Sie geben dir ein besseres Muskelgefühl und damit oft eine bessere Ansteuerung

  4. Durch die geringere Lasten haben sie einen geringeren Stabilitätsanspruch an die Übung -> machen also vor allem Sinn bei freien Übungen bzw. bei Übungen, die Koordination/ viel Stabilität erfordern.

Außer den genannten Gründen gibt es noch viele weitere, wodurch die Frage nach dem optimalen Wiederholungsbereich bei jedem Trainierenden sehr individuell ist.

Mehr Volumen, mehr mechanische Spannung?

Nein. Mechanische Spannung muss nicht erst „aktiviert“ werden. Sie tritt schon ab dem ersten Satz im Training auf, sofern dieser nahe am Muskelversagen ausgeführt wird. Außerdem muss das Volumen individuell angepasst werden, umso intensiver (näher am Muskelversagen) trainiert wird. Volumen ist in den meisten Fällen extrem individuell, aber die Faustregel lautet immer: Intensität hoch -> Volumen runter.

Wie kann ich das Gelernte auf mein Training übertragen?

Hier ein paar Tipps, um mechanische Spannung und damit den Hypertrophie-Reiz in deinem Training zu maximieren:

  • langsame und kontrollierte exzentrische Phasen

  • explosive, aber kontrollierte konzentrische Phasen

  • nah bzw. bis ans Muskelversagen trainieren

  • du solltest sicherstellen, dass auch wirklich Muskelversagen erreicht wird (und du den Satz nicht nur wegen z.B. Muskelbrennen abbrichst)

  • Muskelversagen muss vor cardiovaskulärem Versagen eintreten

  • zähle deine Volumen immer nur in Sätzen, die nahe bzw. am Muskelversagen ausgeführt wurden, da nur diese einen relevanten Hypertrophie-Reiz setzen.

Wenn du den wissenschaftlichen Part in deinem Training lieber deinem Coach überlassen oder andernfalls mehr dazulernen willst, sind wir vom Team ORA. genau die richtigen für dich. Wir bilden uns dauerhaft weiter und bleiben auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft, um die Erfolge unserer Klienten zu maximieren.

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